Die Miesmuschel (Mytilus edilus)

Die Miesmuschel lebt im Gegensatz zu allen anderen Muscheln im Wattenmeer auf dem Boden. Sie ist bei uns nicht nur einer der bekanntesten, sondern auch eine der bedeutesten Muscheln. Wegen ihrer enormen Filterleistung wird sie auch die Kläranlage der Nordsee genannt. Die Miesmuschel hat eine längliche tropfenförmige Schale, diese ist an der Vorderseite spitz und hinten abgerundet. Ihre Farbe ist außen bräunlich bis bläulich-schwarz. Innen bläulich-weiß mit einem Perlmuttglanz. Ihre Schale ist häufig mit dunklen radialen Bändern versehen. Miesmuscheln erreichen im Wattenmeer eine Größe von 5-7 cm und können bis zu 8Jahre alt werden. Sie haben eine spezielle Drüse, mit der sie sogenannte Byssusfäden produzieren können. Mit diesen Fäden können sie sich an festen Gegenständen, wie Steine, Pfähle, aber vor allem an ihre Artgenossen fest heften. Weil sie sich oft mit mehreren zusammen an Pfähle fest heftet, wird sie auch „Pfahlmuschel genannt“.

Verbreitung
Die Miesmuschel kommt im Nordatlantik bis Marokko, im Mittelmeer, in Nordamerika, im nördlichen Pazifik, in der Ostsee und in der Nordsee im Wattenmeer vor. Dort lebt sie in Tiefen bis zu 25 Meter. Hier sind ihre Standorte, überwiegend die Ufer der Priele entlang der Niedrigwasserlinie. Dort sind manchmal 2.000 Stück von ihnen, in Schichten übereinander, auf einem Quadratmeter zu finden. Ein idealer Standort, denn da sind sie lange genug mit Wasser bedeckt, um Nahrung aufnehmen zu können, liegen aber auch noch kurz trocken, damit die Möwen sie von ihren Todfeinden den Seesternen befreien können

Lebensweise
Riesige Muschelbänke auf dem Wattboden sind ihr Lebensraum. Die gegenseitige Vernetzung gibt der einzelnen Muschel Halt und gemeinsam widerstehen sie der starken Strömung. Einzelnen losgerissenen Muscheln droht  Gefahr, an Land gespült zu werden oder im Watt zu versinken. Beides bedeutet für sie den sicheren Tod. Das Leben auf dem Wattboden bringt aber auch Gefahren mit sich.  In Eiswintern werden oft trockenfallende Muschelbänke fast vollständig durch Eisschollen abgehobelt. Auch schwere Stürme mit hohem Wellenschlag lassen ganze Muschelbänke verschwinden.

Ernährung / Atmung
Miesmuschel sind Filtrierer. Sie ernähren sich von kleinen und kleinsten im Wasser schwebenden organischen Teilchen (Plankton und Detrius). Bei einer filtrierenden Muschel kann man Ein- und Ausstromöffnung gut unterscheiden. Die Einströmöffnung ist von einem gefransten, leicht bräunlichen Mantelrand umgeben. Dieser grobmaschige Filter hält grobe unverdauliche Sand- und Schlickpartikel ab, Nahrungspartikel werden dem Mund zugeleitet. Unverdauliches wird eingeschleimt und als Scheinkot zusammen mit dem Kot über die Ausströmöffnung abgegeben. Die Miesmuschel legt eine enorme Filterleistung an den Tag, eine ausgewachsene Miesmuschel kann bis zu 1,5 l Wasser pro Stunde filtern! Wenn man die Trockenliegezeiten im Watt berücksichtigt, ergibt das eine durchschnittliche Filtrationsleistung von 10–20 l täglich!! Dadurch entsteht auch eine Menge an Ausscheidungen. Diese lagern sich dann  im Bereich der Muschelbank ab. Zusätzlich lagert sich zwischen den Muscheln noch Schlick und Sand ab, was die Strömung herbeischafft. Dadurch kann so eine Muschelbank pro Jahr um fast 30 cm aufgeschlickt werden. Hierdurch laufen die Miesmuscheln Gefahr sich selbst zu begraben. Um an der Oberfläche zu bleiben, klebt sie ihre Byssusfäden an höher gelegene Muscheln und zieht sich langsam daran hoch.

Fortpflanzung
Miesmuscheln sind getrennt geschlechtlich. Unter guten Nahrungsbedingungen sind Miesmuscheln nach einem Jahr geschlechtsreif. Im Mai beginnt die Laichzeit. Die Weibchen geben dann 5-12 Millionen Eier ins freie Wasser ab (das manchmal bis zu 3 mal im Jahr). Gleichzeitig geben die Männchen ihre Spermien ins Wasser ab. In einigen Bereichen des Wattenmeeres sind dann mehr als tausend Miesmuscheleier in einem Liter Wattenmeerwasser enthalten! Innerhalb eines Monates wachsen die Larven von 0,09 mm auf 0,23 mm heran. Viele aber von ihnen verschwinden während dieser Phase. Teils treiben sie zu weit in die offene Nordsee oder werden von filternden Bodenorganismen gefressen. Nach der Schwimmphase siedeln die Larven vorübergehend auf unterschiedlichen Bodenbewuchs wie z.B. Algen, Seegras usw.. Diesen ersten Siedlungsgrund verlassen sie aber häufig und wechseln den Standort. Während dieser Zeit, verbunden mit dem ersten Kontakts des Wattbodens, wird der Nachwuchs stark dezimiert. Vermutlich überleben nur 1% der Larven diesen Abschnitt, indem auch die Umwandlung zur kleinen Muschel erfolgt. In den nächsten Wochen, wenn sie eine Größe von 0,4- 1mm erreicht haben, setzen sie sich auf einem festen Untergrund, am liebsten auf ihre Artgenossen fest. Manchmal werden die erwachsenen Muscheln so dicht von den jungen besiedelt, dass ihnen die Nahrung weg gefiltert wird und sie verhungern. Nach 1,5 – 3 Jahren je nach Nahrungsangebot ist die Miesmuschel ausgewachsen.

Fressfeinde
Vögel sind ihre Hauptfeinde. Einmal der Austernfischer, der mit seinem hartem Schnabel ihre Schale aufhacken kann, aber auch die Eiderente, die die Muschel als ganzes verschluckt, um sie dann in ihrem Kaumagen zu zerkleinern. Eiderenten ernähren sich  zu 30-60% von Miesmuscheln. Aber auch Möwen fressen sie gerne. Unter Wasser ist der Seestern ihr größter Feind. Mit seinen Saugnäpfen zieht er stundenlang an den Schalenhälften bis die Muschel erschöpft ist und aufgeben muss. Die Mahlzeit für den Seestern beginnt. Besonders aber haben junge Muscheln (bis 1cm) viele Feinde, Garnelen, Strandkrabben und der Seeringelwurm verspeisen sie gleich massenweise.

Menschliche Ernährung
Es besteht, vor allem in West- und Südeuropa eine große Nachfrage (größer als das Angebot) nach Miesmuscheln. Hier im Wattenmeer wurden jahrelang so große Mengen an Miesmuscheln gefischt, dass die Bestände fast völlig zusammenbrachen. In den Jahren 1985 bis 1995 gingen die trockenfallenden Miesmuschelbänke hier im Wattenmeer (Küste NDS) sehr stark zurück. Bedeckten die Bänke bei früheren Bestandsaufnahmen noch zirka 50 Quadratkilometer, so waren es im Frühjahr 1996 nur noch Restbestände von zirka 1,7 Quadratkilometern!  Heute werden Miesmuscheln nur noch auf sogenannten Kulturbänken gezüchtet. Dazu wird die „ Muschelsaat“ von natürlichen Muschelbänken entnommen und auf sogenannten Kulturparzellen ausgesetzt. Leider hat es sich so entwickelt, dass auch kaum noch Muschelsaat vorhanden ist. Ist diese Entwicklung bei 100.000 Tonnen Miesmuscheln die jedes Jahr an der Nordseeküste gefischt werden (wurden), noch verwunderlich?
Aber auch andere Faktoren mögen für den Rückgang der Bestände eine Rolle spielen, zu erwähnen wäre da: Eine Zunahme der Schadstoffbelastung, veränderte Zusammensetzung des Phytoplanktons, Parasitenbefall, erhöhter Schwebstoffgehalt durch Baggern und Verklappen, und in jüngster Zeit der Klimawandel; zum Beispiel kommen Krabben jetzt wegen des immer wärmer werdenden Wassers, 3 Wochen früher als sonst aus dem Tiefwasser zurück und fressen zu tausenden die Jungmuscheln weg. Ebenso kommt es seit einigen Jahren zusätzlich durch eingeschleppte Arten, wie die Pantoffelschnecke und vor allem durch die pazifischen Auster, zu einer weiteren Bedrohung der Miesmuschelbestände. Diese siedeln zum Teil im gleichem Lebensraum und stehen somit mit der Miesmuschel in Raum- und Nahrungskonkurrenz.
 

Besonderheiten / Wissenswertes

  • Das Wort „mies“ kommt aus dem Mittelhochdeutschen und bedeutet Moos. Weil auf der Muschel die Byssusfäden zusammen mit den Algen wie Moos aussehen, lässt sich der Name Mies- (Moos) Muschel erklären.

  • Das Wort Mytilus kommt aus dem Griechischen und bedeutet von beiden Seiten her schließend.

  • Das  lateinische Wort edilus bedeutet essbar.

  • Auf Miesmuschelbänken leben über 50 weitere Tierarten und zusätzlich noch 15 Algenarten.

  • Es wurde berechnet, dass Miesmuscheln zusammen mit den Muscheln das gesamte Wasser des Wattenmeeres innerhalb von zwei Wochen einmal komplett durch filtern, eine enorme Leistung! Damit erfüllen sie eine wichtige reinigende Funktion, die Kläranlage der Nordsee!

  • Bei Ebbe schließt die Muschel ihre Klappen. Ihre Herzfrequenz fällt dann von 75 auf 5-6 Schlägen pro Minute. Mit diesem stark verringertem Stoffwechsel kann sie tagelang trotz Erwärmung durch Sonnenstrahlung ohne Sauerstoffaufnahme überleben.

  • Die ökologische Bedeutung der Muschelbänke ist enorm groß. Sie bilden auf dem Wattboden eine zusätzliche Struktur aus, die von einer Vielzahl von Organismen genutzt wird, die sonst im Wattenmeer gar nicht vorkommen würden. Forscher der Sylter Wattenmeerstation haben auf und zwischen den Muscheln, weit mehr als 100 verschiedene Tier- und Algenarten gefunden.

Auf jeder Wattwanderung werden wir Miesmuscheln sehen und etwas über sie erfahren!