Der Austernfischer (Haematopus ostralegus)

Der Charaktervogel der Nordsee
Ein mittelgroßer, auffälliger und ruffreudiger Vogel, mit kontrastreichen schwarzweißem Gefieder, einem langen roten Schnabel (70-80mm) und roten Beinen. Ein ausgewachsener Austernfischer erreicht eine Körperlänge von 40 bis 45 cm, und hat eine Spannweite bis zu 85 cm. Männchen und Weibchen sind äußerlich nicht zu unterscheiden. Mit 450-600 g ist er einer der größten Watvögel im Wattenmeer, aber nicht nur deshalb ist er so auffällig, sondern vor allem wegen seiner lauten Rufe! Er ist überall an der Küste Tag und Nacht zu hören, oder besser, nicht zu überhören!
Sein Tagesablauf ist von Ebbe und Flut bestimmt, somit ist er auch nachtaktiv.

Verbreitung:
fast weltweit an den Küsten und stellenweise auch im Binnenland, ist er anzutreffen. Neuerdings kommt er auch auf Wiesen und auf geschotterten Flachdächern weitab von der Küste vor. Hier im Wattenmeer ist er mit 40.000 Brutpaaren vertreten. Ab August wandern Artgenossen aus Skandinavien zu, so dass ab September bis zu 540.000 dieser Vögel im Wattenmeer gezählt werden können.

Zugverhalten:
Vögel aus den kalten nordischen Ländern ziehen in wärmere Winterquartiere. Nur in sehr kalten Wintern verlässt ein Teil der Austernfischer den Nordseeraum in Richtung Frankreich, ganz selten sogar bis nach Afrika.

Fortpflanzung:
Im zeitigen Frühjahr verlassen Paare ihren Winterschwarm und besetzen ihr zukünftiges Revier. An beringten Tieren konnte ausgemacht werden, dass Austernfischer über Jahre, nicht selten, ihr ganzes Leben lang ihren Brutplatz, am liebsten in Ufernähe, treu bleiben. Austernfischer sind meist monogam. Auch findet im Frühjahr bis weit in den Sommer hinein, das feierliche Schauspiel des Gruppenbalzens statt. Dabei stehen die Vögel, den Schnabel zur Erde gerichtet, beisammen, laufen nebeneinander her, auch hin und zurück, und bilden schließlich einen Kreis. Dabei rufen sie im steigendem Tempo "kewiik....kewiik....kwiik, kwiiik, kwiik, kwirrr". Nach diesem Trillern bekam die ganze Aufführung den Namen  „Trillerzeremonie“. Das wird auch oft im Fluge ausgeführt. In eine flache Nistmulde, die meist mit einigen Muschelschalen oder Steinchen ausgelegt sind, werden ab Ende April meist vier, blassbraune, dunkelgefleckte Eier gelegt, die vom Männchen und Weibchen abwechselnd bebrütet werden. Der Brutplatz wird mit lautem trillern und Geschrei aggressiv gegenüber Artgenossen abgegrenzt und gegenüber Feinden auch mit kräftigen Schnabelhieben verteidigt. Nach knapp vier Wochen schlüpfen die Jungen, die gleich umherlaufen können (Nestflüchter). Sie werden bis zu vier Wochen gehudert. Schon ab dem drittem Tag führen die Eltern ihre Jungen in das nahegelegene Futtergebiet, werden aber von ihren Eltern mit Futter versorgt. Durch sommerliche Sturmfluten werden immer wieder Gelege vernichtet, doch können die Vögel dann ein zweites Mal brüten. Außerdem verhindert die lange Lebensdauer des Austernfischers, im Durchschnitt 15-20 Jahre (er kann bis 35 Jahre alt werden) dass gelegentliche Brutausfälle den Bestand gefährden.
Ist die Aufzucht beendet, nehmen auch die Trillerzeremonien ab, es wird dann wieder etwas ruhiger im Watt.

Nahrung:
Miesmuscheln, Herzmuscheln und Plattmuscheln, seltener auch Pfeffermuscheln und Klaffmuscheln, Seeringelwürmer und Wattwürmer, und junge Strandkrabben. Ein Austernfischer kann bis zu 300 kleine Herzmuscheln am Tag verzehren! Im Binnenland wird der Nahrungsbedarf überwiegend mit Würmern und Insekten gedeckt. Wegen der ständigen Verfügbarkeit der Nahrung ist er hier auch nicht Nachtaktiv.

Besonderheiten:
Es wurden drei verschiedene Schnabelformen festgestellt: Pfriem-, Hammer-, und Meißelschnabel. Vögel mit dem zugespitzten Pfriemschnabel suchen vor allem im Wattboden nach Würmern, die sie mit Tastsinnzellen (Herbst'sche Körperchen) an der Schnabelspitze erspüren und vorsichtig an die Oberfläche ziehen. Vögel mit einer den beiden anderen Schnabelformen haben sich auf Muschelnahrung spezialisiert. Mit dem Meißelschnabel stoßen sie blitzschnell in eine geöffnete Muschel und durchtrennen die Schließmuskeln der Schalenklappen. Brutaler gehen Austernfischer mit dem Hammerschnabel vor, sie hämmern die Schalen von Miesmuscheln oder jungen Herzmuscheln mit kräftigen Schlägen auf, um an das Muschelfleisch zu gelangen. Weil Muscheln beim hämmern leicht im Watt versinken, werden diese oft erst auf einer harten Unterlage abgelegt, die nicht selten mehrfach genutzt wird. Entsprechend findet man stellenweise frisch geöffnete Muschelschalen im Watt, deren eine Hälfte zertrümmert ist. Bei fehlender Nahrung passt sich innerhalb ca. 14 Tagen die Schnabelspitze der neuen Art des Beuteerwerbs an, denn ein Austernfischerschnabel ist im ständigen Wachstum begriffen. Er verlängert sich täglich um ca. 0,4 mm, also in 10 Tagen um ca.4 mm. Wachstum und Abnutzung als zwei gegensätzlich wirkende Prozesse formen das aktuell benötigte Austernfischer-Werkzeug.
 
Wussten Sie :

  • dass der Austernfischer in einigen Regionen, wegen seines schwarz-weißen Gefieders und      der roten Beine, auch Strand - oder Halligstorch genannt wird?
  • dass im Dezember fünf mal so viele Austernfischer wie zur Brutzeit hier sind, aber man sie dann kaum noch hört?
  • der Austernfischer keine Austern vertilgt, weil die Schale dieser Muscheln viel zu hart ist?
  • der Austernfischer sich auf der Flucht vor einem Greifvogel ins Wasser stürzen und unter Wasser mit Flügelbewegungen bis 10 Meter weit weg tauchen kann?
  • dass der Austernfischer auf den Färöern der Nationalvogel ist, wessen Rückkehr aus den Winterquartieren am 12.
    März als Frühlingsanfang gefeiert wird ?


Beim Wattwandern ist der Austernfischer mit seiner lauten Stimme immer und überall zu hören!