Die Wattschnecke (Hydrobia ulvae)
die schnellste Schnecke der Welt!
Die Wattschnecke erlangt eine Größe von 7mm, mit max. 7 Umgängen. Ihre Farbe ist dunkelgelb bis braunschwarz, leere Gehäuse sind meist weiß. Zwischen den Fühlern befindet sich ein schwarzer
Fleck, der linke Fühler ist stärker ausgebildet. Wattschnecken können ihr Gehäuse mit einem Deckel (Operculum) verschließen, so dass sie nicht austrocknet. Wattschnecken können zwei Jahre alt
werden.
Verbreitung:
Sie lebt in der Nord- und Ostsee, sowie im Atlantik bis zum Senegal. Im Verbreitungsgebiet ist sie auch in den Flussmündungen, im brackigen Wasser zu finden. In der Ostsee lebt sie noch bei 1,5
Promille Salzgehalt, hier in der Nordsee bevorzugt sie einen Salzgehalt von mindestens einem Prozent. Ihr Lebensraum ist hier im Wattenmeer der Schlick- und Mischwatt, nahe der mittleren
Hochwasserlinie, die aber auch in 10 mtr. Wassertiefe zu finden ist. Für das ungeübte Auge sind sie in ihrer Tarnfarbe kaum zu entdecken, schaut man aber genau hin, so sind sie leicht und überall
in Massen zu finden. Es wurden 4.000 bis 70.000 Tiere auf einem Quadratmeter gezählt, ja manchmal können es auch 100.000 Tiere auf einem Quadratmeter sein. In Extremfällen, wenn es zusätzlich
noch viele Jungschnecken gibt, können Zahlen bis zu 1 Million Wattschnecken pro Quadratmeter erreicht werden. Lebende Schnecken und vor allem tote Schalen, die von der Strömung zusammengetrieben
wurden, findet man manchmal in so dicken Schichten, dass man sie abschaufeln kann.
Jahreszyklus:
Wattschnecken sind das ganze Jahr im Watt anzutreffen. Im Sommer sind sie allerdings wesentlich zahlreicher und aktiver, denn der größte Teil von ihnen wird bis zum Winter gefressen.
Fortpflanzung:
Wattschnecken sind getrenntgeschlechtlich. Im Frühjahr, ab Ende Februar ihres zweiten Lebensjahres, findet die Paarung statt. Ein Weibchen legt in 20 Tagen bis zu 500 Eier. Diese sind in Paketen
von 10 bis 30 Eiern aufgeteilt, werden in Schleimhüllen eingeschlagen und mit feinen Sandkörnern bedeckt. Diese kleinen Pakete werden hauptsächlich an den Schalen ihrer Artgenossen, aber auch an
größeren Gegenständen wie Panzern von Krebstieren und an Fischen angeheftet. Die Fortpflanzungsperiode dauert den ganzen Sommer an, so dass wir bis zum Herbst Wattschnecken mit Eipaketen ihrer
Artgenossen finden können.
Die Larven schlüpfen nach etwa 10 bis 24 Tagen und gehen dann zum Bodenleben über. Ab Anfang Mai findet man die Jungschnecken nach ihrer Metamorphose (Umwandlung) im Wattenmeer.
Die Jungschnecken verteilen sich mit der Strömung über das Wattenmeer, bevorzugen aber lieber die untere Gezeitenzone. Am Ende des Sommers besiedeln die jungen Schnecken dann auch die Bereiche
der Hochwasserlinie.
Ernährung:
Die Wattschnecke ernährt sich von organischem Material, also von kleinen Algen und Detrius (tote organische Substanz mit deren Bakterien), die sie mit ihrer kleinen Raspelzunge vom Wattboden
abweidet. Auch auf Meersalat und Seegras wird die Wattschnecke angetroffen, hier frisst sie aber nicht die Pflanze, sondern die sich darauf befindenden Algen. Somit fördern Wattschnecken das
gesunde Wachstum der Seegraswiesen. Die Wattschnecke kann aber auch kleine schwebende Nahrungsteilchen aus dem Wasser aufnehmen. Dazu spannt sie beim Treiben im Wasser (siehe Verhalten) einen
kleinen Schleimteppich, an dem kleine Nahrungsteilchen kleben bleiben und gefressen werden können.
Unverdauliche Bestandteile werden als fester Kot ausgeschieden, der dann durch Bakterien, die sich Stickstoff aus dem Wasser holen, abgebaut wird. Manchmal frisst die Wattschnecke diesen Kot
wieder auf um ihren Stickstoffbedarf zu decken.
Verhalten:
Während der Wasserbedeckungszeit kriechen sie auf der Wattoberfläche und nehmen Nahrung auf.
Bei Niedrigwasser graben sich die Wattschnecken um ein Austrocknen zu verhindern 4-10 mm tief ein. Wir erkennen das an den Tausenden von kleinen Löchern im Wattboden. Die Wattschnecke kann bei
Gefahr des Austrocknens zusätzlich noch ihr Gehäuse mit einem Deckel verschließen und so 4-5 Tage überleben. Im feuchten Wattboden sitzen die Wattschnecken mit dem Kopf nach oben in ihrem Loch
und strecken ihre Fühler an die Oberfläche. Mit der Flut kommt sie wieder hervor.
Wattschnecken besitzen noch einen interessanten Trick um sich schneller fortzubewegen! Sie können mit einer eingeschlossenen Luftblase die Wasseroberfläche erreichen, dort heften sie sich Kopf
unter an die Wasseroberfläche an, und lassen sich mit der Strömung forttreiben. Kommt sie so nicht weit genug, hat sie eine noch bessere Technik! An der Wasseroberfläche spannt sie dann
zusätzlich noch einen Schleimteppich. Nun wird sie durch die größere Oberfläche noch besser von der Strömung erfasst und somit weiter fortgetragen. Anstatt zu kriechen und nur 2 cm in der Minute
fortzutreiben, kann sie hierdurch Geschwindigkeiten, abhängig vom Gezeitenstrom, von bis zu 4 km/h erreichen. (die schnellste Schnecke der Welt). So verreisen mit dem Gezeitenstrom manchmal
gleichzeitig Millionen von ihnen.
Hat sie ihre gewünschte Position erreicht, frisst sie ihren Schleimteppich auf und sinkt wieder zu Boden. Diese Fähigkeit wird auch von jungen Schnecken gebraucht, um ins Flachwasser zu kommen,
bei ausgewachsenen Schnecken, um ungünstigen Standorten zu entfliehen.
Atmung:
Wattschnecken sind Kiemenatmer. Ihre Aktivität und somit ihre Sauerstoffaufnahme steigt bis zu einer Umgebungstemperatur von 28 Grad an und fällt bei Temperaturen darüber hinaus stark ab. Das ist
für das Überleben während der Trockenliegezeit, besonders bei höheren Temperaturen im Sommer, überlebenswichtig.
Fressfeinde:
Wattschnecken werden von sehr vielen Tieren gefressen. Unter den Vögeln sind Brandente, Seeregenpfeifer, Knutt, Alpenstrandläufer, Stockente usw. ihre Fressfeinde. Auch bei Strandkrabben,
Garnelen und bei den Schollen stehen sie auf dem Speiseplan. Durch ihre Reproduktions- und Wachstumsgeschwindigkeit trägt sie wesentlich zur Ernährung der Folgekonsumenten bei.
Somit hat die kleine Wattschnecke eine große Bedeutung.
Wissenswertes :
Erläuterung: Imposexe
Erste Stadien von Veränderungen des Genitaltrakts, wie z.B. die zusätzliche Bildung männlicher Geschlechtsorgane zum vorhandenen weiblichen Geschlechtssystem, bedingt durch hormonelle
Störungen, werden unter dem Begriff „Imposex-Inzidenz“ zusammengefasst. Diese Veränderungen führen bei der Wattschnecke nicht zwangsläufig zur Sterilität, bei der Strandschnecke ist das jedoch
der Fall.
Auf jeder Wattwanderung werden wir die kleinen Wattschnecken sehen!