Die Baltische Plattmuschel (Macoma balthica)

Die Plattmuschel - auch  „Rote Bohne“ genannt!
Die Plattmuschel gehört zu den häufigsten und bekanntesten Muscheln unserer Küste.
Sie kann bis zu 3 cm groß werden. Ihre flache und glatte Schale ist sehr unterschiedlich gefärbt, sie kann weiß, gelblich, rosa, braun oder blauschwarz sein. Manchmal sind sie auch mehrfarbig und mit konzentrischen Ringen versehen. Die Schaleninnenseite ist oft rot gefärbt, daher auch ihr Name „Rote Bohne“. Wegen dieser Farbvielfalt sind ihre Schalen bei Strandwanderern beliebt und werden gerne gesammelt. Die Plattmuschel hat einen sehr kräftigen zungenförmigen Grabefuss. Ihre Siphoschläuche sind getrennt und sehr unterschiedlich lang.

Verbreitung/Lebensraum
Ihr Lebensraum ist der Nordatlantik, die Nordsee, die Ostsee bis Finnland und das weiße Meer. Hier im Wattenmeer ist sie sehr häufig im Schlick- und Mischwatt anzutreffen, manchmal 200 bis 2.000 Stück auf einem Quadratmeter! Auf den höher gelegenen Wattflächen finden wir überwiegend die jüngeren Plattmuscheln, wo sie sich bis zu 3 cm tief eingraben. Erwachsene Tiere leben meist in tiefer gelegenen Wattgebieten, wo sie sich bis zu 9 cm in den Wattboden eingraben.
 
Ernährung / Atmung
Die Plattmuschel hat zwei Möglichkeiten Nahrung aufzunehmen. Einmal saugt sie mit ihrem langen dehnungsfähigen Einströmsipho wie ein Staubsauger Nahrungspartikel vom Boden ihrer Umgebung ab. Hierbei werden überwiegend Kieselalgen und mit Bakterien besetzte Detriusteilchen aufgenommen. Dabei hinterlässt sie sternförmige Fraßspuren. Diese Art der Nahrungsaufnahme hat den Vorteil, dass sie auch bei Niedrigwasser, also ohne Wasserbedeckung möglich ist. Somit ist die Plattmuschel in ihrer Verbreitung relativ von der Überflutungsdauer unabhängig. Aber auch aus dem freien Wasser kann sie Nahrung filtrieren. Dazu streckt sie ihren Einströmsipho grade hoch ins Wasser und kann so Nahrungspartikel aufnehmen, die frei im Wasser schwimmen. Im Gegensatz zu anderen Muscheln ist sie in der Lage aufgenommene grobe Nahrungspartikel (einige mm) in ihrem Magen zu bearbeiten. Mit ihren kräftigen Magenmuskeln kann sie diese „großen Teile“ zusammen mit einem enzymhaltigen Gallerstiel zerquetschen und so für die Verdauung vorbereiten. Der im Wasser aufrecht stehende Einströmsipho erregt die Aufmerksamkeit vieler Fische. Diese fressen gerne davon. So verliert die Plattmuschel manchmal mehrmals am Tag ein Stückchen davon. Aber die Muschel kann diesen Schaden leicht reparieren. Die Siphone wachsen schnell nach. Manchmal aber muss sie notgedrungen, wegen des zu kurzen Siphons weiter an die Oberfläche vorrücken, das ist für sie ungünstig, denn  nun ist sie für Seevögel leichter zu erbeuten. Der Ausströmsipho ist wesentlich kürzer als der Einströmsipho und ragt meist nicht einmal an die Oberfläche. Darum wird das Ausströmwasser mit Wucht nach außen gepumpt und noch im Boden abgegeben. Die horizontal im Wattboden liegende Plattmuschel ist deshalb von einem Oxidationshof, der sie vor Schwefelwasserstoffschäden schützt, umgeben. Da über den Ausströmsipho aber auch Kot und die Stoffwechselprodukte in dieses mit Sauerstoff angereichertes Sediment gelangen, können sich in ihm Kleinlebewesen mit vielfältigen Nahrungsbeziehungen entwickeln.

Fortpflanzung
Die Plattmuscheln sind getrennt geschlechtlich und im Alter von zwei Jahren geschlechtsreif. Im Mai entlassen Männchen und Weibchen gleichzeitig ihre Samen- und Eizellen ins freie Wasser, wo die Befruchtung stattfindet. Nach einigen Wochen als Planktische Larve, sinken sie nach ihrer Umwandlung als kleine Muschel in der unteren Zone des Watts zu Boden. Einige Wochen später (Ende Mai – Juni) gehen sie auf Wanderschaft in höher gelegene Gebiete des Wattenmeeres. Um diese Strecke zurücklegen zu können, hat sie eine besondere Technik entwickelt. Die Plattmuschel fabriziert einen langen  schwimmfähigen Schleimfaden, so hat sie eine wesentlich größere Oberfläche. Wie an einer Drachenschnur baumelnd wird sie dann von der Strömung erfasst und reist dann mit der Flut in die obere Zone des Watts. Im Sommer kann ihre Besiedlungsdichte da einige Tausend pro Quadratmeter betragen! Am Ende des Sommers begibt sie sich wieder auf die Reise, diesmal in die umgekehrte Richtung, zurück ins tiefere Watt. Warum der Aufwand? Kleine Muscheln stehen bei den Krabben ganz oben auf der Speisekarte. In der lange überfluteten unteren Wattzone haben die Krabben, im Gegensatz zur oberen Zone, viel Zeit kleine Muscheln zu fressen. Dieser Unterschied ist für die kleinen Muscheln Überlebenswichtig. Darum lohnt sich das Reisen! Je größer sie nun wächst, umso interessanter wird sie aber für hungrige Vögel, die bei Ebbe den Wattboden nach Nahrung absuchen. Nun heißt es weg von den Vögeln! Also nochmals wandern und zurück in die unteren Watten, wo sie vor den Vögeln geschützt ist. Die Krabben  können der nun jetzt größer gewordenen Muschel nichts mehr anhaben. Im Wattenmeer wachsen Plattmuscheln relativ schnell. Einjährige Muscheln sind 4-10 mm, zweijährige 10-15 mm und fünfjährige 20-25 mm groß. Danach nimmt die Wachstumsgeschwindigkeit stark ab. Die Wachstumsperiode ist recht kurz und geht von März bis Anfang April. Plattmuscheln können hier im Wattenmeer 7 Jahre alt werden, im tieferem Wasser (kälter) bei einem vermindertem Stoffwechsel bis zu 25 Jahre!

Verhalten
Plattmuscheln können sich mit ihrem kräftigem Grabefuss schnell eingraben. Dazu wird der zungenförmige Fuß in den Sand gesteckt und am Ende verankert. Durch Zusammenziehen der Muskeln im Fuß zieht sie sich ruckweise in den Wattboden. Die schmale Schalenform macht es ihr einfach, schnell zu verschwinden.

Feinde
Besonders junge Schollen fressen gerne die Sipho der Plattmuschel, diese regenerieren sich aber schnell, so dass es für die Muschel keine Lebensgefahr bedeutet. Krabben aber graben kleine Plattmuscheln noch aus 2 cm Tiefe aus dem Boden und knacken mit ihren Scheren die Schale, bevor sie dann verspeist werden. Der Knutt kann, weil er nur einen kurzen Schnabel hat, die Plattmuschel nur erreichen, wenn sie sich nicht tiefer als 3 cm vergraben hat. Im Sommer kann der Knutt so 90% der Muscheln erreichen. Im Winter graben sich die Muscheln tiefer ein und sind dann für den Knutt unerreichbar. Aber für den Austernfischer sind auch tiefer eingegrabene Muscheln kein Problem, für ihn stehen Plattmuscheln das ganze Jahr auf dem Speiseplan. Das gilt auch für andere Seevögel.

Wissenswertes / Besonderheiten

  • Häufig werden Plattmuscheln von den Larven eines parasitischen Saugwurmes (Parvatrema affines) befallen. Diese entziehen der Muschel Sauerstoff und sie kommt aus dem Boden gekrochen. Das erhöht die Chance, dass die Muschel von einem Vogel gefressen wird, in dessen Darm sich die Parasiten ansiedeln wollen. Allerdings, so wurde beobachtet, scheinen einige Vögel diese Gefahr zu ahnen, und meiden diese tückische Beute.
  • Wenn wir am Spülsaum Plattmuscheln mit einem kleinen kreisrundem Loch finden, dann wurde sie Opfer einer Nabelschnecke. In stundenlanger Arbeit hat die Schnecke dieses Loch gebohrt, dann konnte sie mit ihrem Rüssel eindringen und die Weichteile der Muschel verspeisen.

Auch auf jeder Wattwanderung zu sehen!