Die Herzmuschel (Cerastoderma edule)

Die Herzmuschel ist die wohl bekannteste Muschel der Nordsee. Ihr Name rührt vom seitlichen Betrachten her, ihre Form erinnert so gehalten an ein Herz. Sie kann bis zu 5 cm lang und bis zu 3 cm dick werden. Aber hier im Wattenmeer findet man meist Exemplare von 1 bis 3 cm. Die auffallend gewölbte Schale ist mit dichten Rippen (im Durchschnitt 25 ) versehen, sie geben der Muschel zusätzlich Festigkeit. Ihre Farbe ist gelblich bis bräunlich. Herzmuscheln können max. 9 Jahre alt werden.

Verbreitung
die Herzmuschel ist in der Nordsee, in der westliche Ostsee, vom Nordkap bis Westafrika, im Mittelmeer im schwarzem Meer im kaspischen Meer und im Aralsee verbreitet. Immer ist sie auf einen Salzgehalt von mindestens 0,3 bis 0,5 % angewiesen. Bei niedrigen Salzgehalten bleiben die Muscheln viel kleiner und haben dann auch eine dünnere Schale. Hier im Wattenmeer bevorzugt sie das Mischwatt, bis zum schon „ziemlich sandigen Watt“. Am liebsten hält sie sich in der unteren Gezeitenzone auf, dort lebt sie 1-3 cm tief vergraben im Wattboden. Sehr schlickige und grobsandige Gebiete werden von ihr gemieden. Unter günstigen Bedingungen können mehrere Hundert Herzmuscheln auf einem Quadratmeter leben. Beim Wattwandern sind die Muscheln dann deutlich unter den Füßen zu spüren, einige Wattwanderer sagen, sie haben das Gefühl, sie würden auf Erbsen (oder Erbsensuppe) laufen.

Fortpflanzung
Herzmuscheln sind getrenntgeschlechtlich, und im Alter von zwei Jahren geschlechtsreif. Jeweils im Mai geben die Weibchen 5.000 bis 50.000 Eier ins freie Wasser ab, die auch dort befruchtet werden. Die Larven schwimmen drei bis fünf Wochen (je nach Wassertemperatur) im Wasser, dann sinken sie zu Boden. Bevorzugt werden dabei Gebiete der unteren Hälfte der Gezeitenzone. Hier verwandeln sie sich (Metamorphose) in eine Miniaturausgabe des ausgewachsenen Tieres. Unter optimalen Bedingungen siedeln sich 20.000,  ja manchmal 100.000 kleine Herzmuscheln auf einem Quadratmeter an. Allerdings wird ein Großteil von ihnen schon bis zum Herbst weggefressen. Im folgendem Jahr sind es dann nur kaum mehr als 500 Tiere/m2 von ihnen übrig geblieben, die mittlerweile schon auf 1,5 cm herangewachsen sind. Im drittem Sommer erreichen sie eine Größe von 2-3 cm und von ihnen leben dann noch 100-300 Tiere auf einem Quadratmeter.

Ernährung / Wachstum
Herzmuscheln ernähren sich von Plankton und Detrius (frei schwebende Lebewesen und deren Reste), welches sie mit Hilfe ihrer Kiemen aus dem Wasser herausfiltern. Durch ein Sipho wird Wasser mit Sauerstoff und Nahrung eingesogen. Dieses wird entnommen und das verbrauchte Wasser wird durch eine zweite Röhre wieder ans Wasser abgegeben. Eine 3 cm große Muschel filtert etwa 2,0 ltr Wasser pro Stunde. So wurde berechnet, dass alle im Wattenmeer lebenden Herzmuscheln die gesamte Wassermenge des Wattenmeeres innerhalb von nur wenigen Wochen einmal komplett durchfiltern.

Jahreszyklus
Herzmuscheln sind das ganze Jahr im Wattenmeer anzutreffen. Da sie im Winter Eisbedeckung und Frost nicht vertragen, sterben von ihnen viele in einem starken Winter. So war es zum Beispiel im Eiswinter 95/96. Da war fast der gesamte Bestand im Wattenmeer erfroren!  Die Herzmuscheln aus dem Sublitoral (Tiefwasser) aber sorgten durch die Produktion von sehr vielen Larven, die mit Hilfe der Strömung weit schwimmen können, für Nachwuchs im Wattenmeer. So war bereits im Sommer 1996 das Wattenmeer wieder mit ganz vielen jungen Muscheln besiedelt.
 
Verhalten
Herzmuscheln können sich nur wenige Zentimeter tief eingraben, somit wird sie leicht durch heftigen Wellenschlag aus dem Boden gespült. Durch ihre feste Schale ist sie aber gut geschützt und sie kann sich innerhalb von nur wenigen Minuten wieder vollständig eingraben. Dazu öffnet sie ein wenig ihre Schalenklappen, dann schiebt sie ihren zungenförmigen „Grabefuß“ hervor. Mit diesem sucht sie Halt im Boden und mit  Kontraktionsbewegungen richtet sie sich zuerst auf (Steckstellung). Der Fuß wird erneut ausgestreckt und dabei weiter ins Sediment geschoben. Gleichzeitig öffnet sie ihre Schalenklappen und der Mantelraum füllt sich mit Wasser. Mit den folgenden Kontraktionsbewegungen wird durch das ausströmende Wasser Sediment weggespült. In den frei werdenden Raum kann sie sich mit noch weiteren Kontraktionsbewegungen unter Mithilfe ihres Grabefußes und der „Spültechnik“ eingraben. Meist braucht sie dazu nicht einmal 5 Minuten.

Fressfeinde
Herzmuscheln, vor allem junge Herzmuscheln haben viele Fressfeinde. Die Muschelbrut wird  vor allem von Seeringelwürmern, Garnelen, Krebsen und jungen Plattfischen und Knutts gefressen. Je älter die Muschel wird, umso kleiner ist die Zahl ihrer Feinde! Ihre harte Schale bietet der Muschel einen guten Schutz. Aber die Eiderente, der Austernfischer und die Silbermöwe machen auch vor größeren Herzmuscheln nicht Halt. Alle haben sie eine Technik entwickelt, wie sie an das begehrte Muschelfleisch herankommen. Der Austernfischer trennt mit einem schnellen Schnabelhieb den  Schließmuskel der leicht geöffneten Muschel und so kommt er kommt dann an das begehrte  Muschelfleisch. Beobachtungen zeigten, dass ein Austernfischer 200-300 Herzmuscheln an einem Tag verzehrt. Eiderenten und Silbermöwen dagegen verschlucken die Muscheln als Ganzes und zermahlen sie dann in ihrem Kaumagen.



    Wissenswertes / Besonderheiten

  • Auf den Wattflächen deuten bis 1 cm lange ovale Löcher auf eine Herzmuschelsiedlung hin. Nähert man sich ihnen vorsichtig, kann man die einige Millimeter großen Siphoöffnungen der Herzmuschel erkennen. Manchmal sieht man da dann eine kleine Fontaine. In diesem Moment hat grade die Muschel verbrauchtes Wasser ausgestoßen, ein interessantes Schauspiel!
  • An den Wachstumsringen (Zuwachsringe) der Herzmuschel kann man in der Regel ihr Alter bestimmen, ähnlich wie bei einer Baumscheibe. Allerdings ist das nicht immer eindeutig zu bestimmen. Fehlerquellen ergeben sich etwa durch milde Winter ( keine deutlichen Ringe) oder durch Sturmperioden im Sommer, welche eine Wachstumsverzögerung zur Folge haben. Dadurch wird auch ein Ring gebildet, der dann leicht als ein Jahresring gedeutet werden kann.
  • Einem Seestern kann die Herzmuschel durchaus entkommen, sie biegt ihren Fuß bis zum Wirbel und streckt diesen dann plötzlich, so kann sie bis zu 30 cm weit springen.
  • Der  lateinische Name der Herzmuschel „edule“ bedeutet übersetzt „Essbar“.
  • Und das ist sie auch. Fast überall in ihrem Verbreitungsgebiet wird sie vom Menschen verzehrt.
  • Von den nordschottischen Inseln weiß man, dass dort früher, durch den Verzehr von Herzmuscheln, große Hungersnöte verhindert wurden. Heute stehen Herzmuscheln überwiegend in Frankreich und in Spanien auf dem Speiseplan, als Paella finden wir sie da wieder!
  • Hier im Wattenmeer wurde die Herzmuschel mit rechenartigen Fangkörben gefangen. Dabei wurde der gesamte Wattboden 15 cm tief umgepflügt. Der gesamte Lebensraum wurde mit dieser Methode zerstört! Eine Regeneration dauerte Monate, ja manchmal Jahre. Auch hat diese Methode dazu geführt, dass es mehrere Vogelsterben gegeben hat, weil den Vögeln die komplette Nahrungsgrundlage entzogen wurde. Deshalb ist diese Herzmuschelfischerei im Nationalpark Wattenmeer seit 1990 in Schleswig Holstein und seit 1992 in Niedersachsen verboten. Auch die Niederländer haben die Herzmuschelfischerei stark eingeschränkt.
  • Früher wurde aus den Schalen der Muscheln Kalk (Muschelkalk) gebrannt, dieser wurde als Mörtel beim Hausbau verwendet.
  • Auch wurden Muschelschalen gemahlen und als (Kalk) Dünger auf die landwirtschaftlich genutzten Böden aufgebracht.
  • Ebenso wurden  Muschelschalen zerrieben ( Muschel-Schill) und als Untergrund zum Beispiel für Radwege verwendet, das vor allem in den Niederlanden.


Während der Wattwanderung werden wir viel über die Herzmuschel erfahren.